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Mammapathologie
Die „klassische“ Unterteilung der mammären (Prä-)Neoplasien nach konventionell-mikroskopisch definierten Kriterien war im wesentlichen bereits in den 70iger Jahren des letzten Jahrhunderts abgeschlossen und wird in Deutschland mit den wissenschaftlichen Aktivitäten von R. Bässler und H.E. Stegner verbunden bleiben, wobei H.E. Stegner das Verdienst zukommt, zugleich die Türen für die klinische „Revolution“ eines zunehmend eingeschränkteren (organerhaltenden) chirurgischen „Management“ zugunsten systemischer endokriner, chemotherapeutischer Maßnahmen bis hin zum Einsatz biologischer (u.a. antikörperbasierter) Therapieformen geöffnet zu haben. An dem „Alltag“ dieser „klassischen“ Phänotypisierung hat sich seither trotz molekularer Klassifikationen (Luminal A und B, Her2+, „triple negativ“), des enormen Wissenszuwachses über tumorbiologisch relevante Moleküle, deren Modulation durch zielgerichtete und nebenwirkungsarme „maßgeschneiderte“ Medikamente sowie deren längst nicht abgeschlossene Prüfung in klinischen Studien wenig geändert. Immerhin haben sich daraus (speziell aufgrund der parallelen Entwicklung immunhistochemischer „Instrumente“) Möglichkeiten ergeben,
  1. konzeptionelle Fehlentwicklungen zu beenden (siehe u.a. Mastopathie-Diskussion) und durch zellbiologische Konzepte zu ersetzen (s.u.: Modell der Brustkrebsentwicklung),
  2. diagnostische Grauzonen und damit potentielle diagnostische Fehlerquellen aufzuhellen bzw. auszuschalten (z.B. sog. B3-Kategorie der Stanzbiopsiediagnostik, u.a. Differentialdiagnose der duktalen Hyperplasien und des duktalen Carcinoma in situ, der Adenose/komplexen sklerosierenden Läsionen und des invasiven Karzinoms) und
  3. die Rolle des Pathologen als „Lotse“ klinischer Maßnahmen im Sinne einer molekularen prädiktiven Pathologie zu stärken (z.B. Steroidrezeptoranalytik, Her2-Test, Ki67; siehe aber auch Gefährdung durch u.a. „Oncotype“-, Endopredict-Assays“).

In der Praxis reichen aber bisher die „historischen“ technischen Grundlagen (Hämatoxylin-Eosin-gefärbte Paraffinschnitte) für die diagnostischen Herausforderungen in > 80% der mammären (Prä-)Neoplasien aus. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass > 80% dieser Krebserkrankungen einen relativ einheitlichen „luminalen“ Phänotyp aufweisen. Eine Ausnahme machen u.a. die sog. „triple“ negativen Karzinome, die sowohl nach ihrem Phänotyp, als auch nach ihrem biologischen Verhalten außerordentlich komplex sind. Ein Teil dieser Karzinome ist den speicheldrüsenanalogen Neoplasien zuzurechnen, mit denen wir uns gerade in den letzten Jahren wissenschaftlich auseinandergesetzt haben (siehe Literatur und auch Kapitel Speicheldrüsenpathologie).

Modell der Brustkrebsentwicklung
Das traditionelle Modell der Brustkrebsentwicklung geht von einer linearen Progression über Stadien einer benignen epithelialen Proliferation, der atypischen duktalen Hyperplasie, des duktalen Carcinoma in situ bis hin zum invasiven Karzinom aus. An diesem Konzept sind in den letzten Jahren aufgrund histologischer, genetischer und experimenteller Befunde Zweifel aufgekommen. Insbesondere musste die Hypothese der einfachen epithelialen Hyperplasie als frühes Stadium der Karzinomentstehung aufgegeben werden. Auf der anderen Seite besteht heute darüber Konsens, dass das duktale Carcinoma in situ eine direkte, wenn auch nicht obligate Vorläuferläsion des invasiven Mammakarzinoms darstellt. Hierfür sprechen (a) die Entwicklung invasiver Mamma¬karzinome bei unvollständiger Entfernung eines duktalen Carcinoma in situ im Bereich der ursprünglichen Lokalisation, (b) die histologische Ähnlichkeit von in situ- und assoziiertem invasivem Karzinom sowie (c) die Ähnlichkeit genetischer Veränderungen von in-situ Karzinomen und assoziierten invasiven Karzinomen.
Bei der Progression der in-situ Läsion wird in aller Regel der Kernmalignitätsgrad beibehalten (z.B tubuläres Karzinom beim duktalen Carcinoma in situ, Grad 1 oder invasives duktales Karzinom, Grad 3 mit duktalem Carcinoma in situ, Grad 3). Das duktale Carcinoma in situ und das invasive Karzinom sind sozusagen Entwicklungsstadien im Rahmen des betreffenden Entwicklungspfades. Für dieses Modell spricht auch, dass nach molekularen Daten eine Weiterentwicklung von einem niedrig zu einem hoch malignen Tumor (häufig fälschlicherweise als Dedifferenzierung bezeichnet) für den Grossteil der Karzinome unwahrscheinlich ist. Aus diesem Konzept ist weiterhin zu folgern, dass den verschiedenen Entwicklungspfaden wahrscheinlich jeweils eigene frühe Stadien zuzuordnen sind.
Molekulare Daten lassen darauf schließen, dass die flache epitheliale Atypie, die atypische duktale Hyperplasie, das duktale Carcinoma in situ, Grad 1 und die niedrig malignen Grad-1-Karzinome (insbesondere das tubuläre Karzinom) Stadien des niedrig-malignen Entwicklungsweges darstellen. Darüberhinaus lassen die bisherigen Beobachtungsstudien zur flachen epithelialen Atypie und der atypischen duktalen Hyperplasie vermuten, dass diese frühen Läsionen eine sehr geringe Progressionsrate aufweisen und sich damit klinisch anders verhalten als das voll entwickelte niedrig-maligne duktale Carcinoma in situ, welches bei Langzeitbeobachtungen eine Rezidivrate von über 50 % aufweist.
Molekulare Daten sprechen andererseits auch dafür, dass frühe Komedokarzinome Ausgangspunkt des high-grade Entwicklungsweges darstellen und so mit dem duktalen Carcinoma in situ, Grad 3 sowie den invasiven Karzinomen, Grad 3 in eine Entwicklungsreihe zu stellen sind.
Das biologische Merkmal der meisten duktalen (Prä-) Neoplasien ist die Expansion eines luminalen Phänotyps, charakterisiert durch CK7/8/18 Expression bei Negativität für Ck5/14/17.
Interessant und von biologischer Bedeutung ist zudem, dass der überwiegende Teil der duktalen Neoplasien seinen Ausgang vom Drüsenepithel der Läppchen nimmt. Schlussfolgernd sollten damit auch die frühesten erkennbaren Läsionen wie die flache epitheliale Atypie, und atypische duktale Hyperplasie (noch weitgehend!) auf das Läppchen begrenzt sein („sick lobule“). Im Gegensatz dazu ist das duktale Carcinoma in situ durch seine Ausbreitung im Segment (Drüsenlappen) charakterisiert („sick lobe“).
Bekanntermaßen entwickeln sich in 15 – 25 % der duktalen Carcinoma in situ-Fälle invasiv-lobuläre Karzinome, umgekehrt in 15 – 25 % der lobulären Carcinoma in situ-Fälle invasiv-duktale Karzinome. Dieses Beobachtungen konnten lange Zeit nicht erklärt werden. Wenn man aber berücksichtigt, dass (1) die Läsionen des low-grade duktalen Entwicklungspfades ähnliche rekurrente 16q-Verluste aufweisen wie die lobulären Karzinome und (2) lobuläre Neoplasien häufig mit frühen Läsionen der duktalen Neoplasie assoziiert sind, ergibt sich folgende Erklärungshypothese. Die pathogenetische Rolle des E-Cadherins auf 16q steht hierbei im Mittelpunkt. So könnten einzelne Tumorzellen in duktalen Neoplasien, die bereits einen Verlust eines E-Cadherin-Gens auf einem Chromosom aufweisen, durch eine Mutation im zweiten E-Cadherin-Gen zu „lobulären Zellen“ mit E-Cadherinverlust transformieren. Entscheidend für die zum Zeitpunkt der Diagnostik/Therapie nachweisbaren Veränderungen wäre der Zeitpunkt, zu dem die Mutationen auftreten. Zu einem frühen Zeitpunkt des neoplastischen Prozesses wäre ein lobuläres Carcinoma in situ und ein invasiv-lobuläres Karzinom die Folge, Auftreten zu einem späteren Zeitpunkt könnte zu einer Kombination von duktalem und lobulärem Wachstum (in-situ/invasiven) führen.
Das biologische Merkmal der meisten lobulären (Prä-) Neoplasien ist die Expansion eines luminalen Phänotyps bei zugleich Verlust der E-Cadherin-Expression.
Mammapathologie-Poster